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CC-by-Lizenz: Tourismuscamp / The Visual Travelguide

Auf der Suche nach Anwendungsfällen zu Linked Open Data

Nachdem wir in Kooperation mit unseren Partnern aus Sankt-Peter Ording im vergangenen Jahr das Tourismuscamp mit ausgerichtet hatten, war ich am vor-vergangenen Wochenende wieder einmal Teilnehmer beim Tourismuscamp. Neben vielen Gesprächen mit alten und neuen Bekannten, langen und fröhlichen Abenden, kam auch der fachliche Input nicht zu kurz. Ein Rückblick auf das #tcamp20

Auch in diesem Jahr startete das Tourismuscamp wieder mit dem Round Table Open Data. Nachdem das Thema im vergangenen Jahr noch sehr allgemein besprochen wurde und insbesondere Aufklärung dahingehend erfolgen musste, was Linked Open Data überhaupt ist, waren die Beteiligten nun einen Schritt weiter, sodass die Diskussion auf einem anderen Level starten konnte. Wer dennoch die Basics einmal nachlesen möchte, kann dies auf der Wissensplattform des DZT tun, wo die wichtigsten Aspekte rund um das Thema zusammengefasst sind: www.open-data-germany.org

Auffällig war, dass es bei den Keynotes der Fokus auf der Umsetzung und konkreten Anwendungsfällen lag. Hier kristallisierten sich für mich drei zentrale Ebenen heraus:

  1. Zunächst ging es viel um die Art der Datenhaltung. Es muss eine konkrete Datenarchitektur definiert werden (relationale Datenbanken, Graphdatenbanken). Dann stellt sich die Frage der Struktur der Daten durch unterschiedliche Datenmodelle. Als Ontologie wird dabei im Tourismus schema.org präferiert, was hinsichtlich des Vokabulars aber nicht alle Sonderfälle im Tourismus abdeckt. Schließlich stellt sich die Frage der Datenqualität: Wann also werden Daten in eine Datenbank übernommen und welche Qualitätskriterien werden hierfür angelegt?
  2. Eine zweite Ebene betrifft den Prozess auf Bundeslandebene und die Frage der Verantwortlichkeiten bis hin zur Orts- und Leistungsträgerebene. Hier ist das Vier-Ebenen-Modell hilfreich: LMO, Region, Ort und Leistungsträger. Wenn Daten auf Landesebene konsolidiert werden sollen – was in den meisten mir bekannten Initiativen angestrebt wird – dann muss es hierfür klare Zuordnungen geben, damit Daten einheitlich und nicht mehrfach gepflegt werden. Hier stellt sich auch die zentrale Frage, in welcher Form die Daten jeweils geöffnet werden können bzw. sollen.
  3. Letztlich wurde viel über Anwendungen gesprochen, um das Thema auf eine konkrete und greifbare Ebene zu überführen. Hier wurde deutlich, dass die Datendistribution aktuell in zwei Richtungen tendiert. Zum einen in die Destination hinein, indem für Orte und Leistungsträger personalisierbare Widgets und ganze Websitebaukästen angeboten werden. Zum anderen die Anbindung der Daten in einen größeren Kontext bei Anbietern wie Google, ADAC, Outdooractive usw.

Die Keynotes im einzelnen:

Richard Hunkel von der DZT präsentierte zunächst einige Grundlagen und stellte dann den Status Quo der Initiative vor, die explizit kein solitäres DZT-Projekt sei, sondern durch die LMOen sowie die Magic Cities getragen werde. Diese Bündelung ist insbesondere deswegen wichtig, weil künftig eine einheitliche und erweiterte Ontologie gefunden werden muss, die über das bestehende Vokabular von schema.org hinausgeht. Ziel ist ein gemeinsames Content-Hub für den Tourismusstandort Deutschland.

Detlef Klinge präsentierte dann für die Thüringen Tourismus GmbH ihr Linked Open Data Projekt, bei dem erste Hürden in der praktischen Umsetzung bei Projekten auf Landesebene deutlich wurden. Dies betrifft insbesondere die Erweiterung des Vokabulars von schema.org, welches zwingend erfolgen musste, da sonst nicht alle Datenpunkte dargestellt werden können. Dem vernehmen nach gelang es aber, ein Vokabular zu entwickeln, welches auf schema.org basiert, jedoch so kombiniert wurde, dass spezifische Datenpunkte umfangreich abgedeckt werden konnten. Auch die Frage der Verantwortlichkeiten bei der Dateneingabe, der Umgang mit Doubletten usw. waren zentrale Punkte, die thematisiert wurden und sicher nicht nur in Thüringen eine Herausforderung sind.

Stefan Huber und Adi mit dem komplizierten Nachnamen von Neusta stellten dann ihre Initiative open.destination.one vor, die zum einen die kostenfreie Datenhaltung von offenen Daten sowie zum anderen eingeschränkte Möglichkeiten der Datenausspielung über Widgets ermöglicht. Das Projekt erinnert an ein Freemium-Modell, das insbesondere für kleinere Destinationen interessant sein kann, aber auch zur Anreicherung von Daten geeignet ist, wenn die jeweilige Destination die Daten innerhalb von destination.one vorhält. In meinem Seminar „Content Management“ an unserer Fachhochschule Westküste mit dem informellen Titel „Make Dithmarschen Great (again)“, haben wir die Plattform bereits genutzt, um weiße Punkte auf der digitalen Landkarte in Dithmarschen mit Fotos und Beschreibungstexten zu füllen.

Guido Sommer von der Hochschule Kempten zeigte dann das Projekt der Bayerncloud, bei dem die Partizipation der Teilnehmenden maßgeblich mit der Verstetigung des Projektes zusammenhängt, was glücklicherweise nun gelungen ist. Interessant ist hier die Verschneidung der Daten mit anderen Quellen, bspw. mit denen der Kommunen (Mobilitäts- und Geodaten).

Schließlich wurde durch Andreas Feustel und Christian Berndt mit der ADAC Trips-App eine sehr konkrete und greifbare Anwendung gezeigt die dazu führen kann, dass offene Daten durch die Integration in der App noch mehr Sichtbarkeit erlangen und gleichzeitig zu einem digitalen Service für den Gast veredelt werden.

Besonders spannend war für mich auf dem gesamten Barcamp neben Linked Open Data das Thema Digitale Gästekarte. Dies hat mehrere Gründe. Zunächst einmal sehe ich hier ein zentrales und wichtiges Steuerungsinstrument für Destinationen, das in ein digitales Geschäftsmodell gegossen werden kann. In der digitalen Ökonomie wird stets von der Plattformökonomie gesprochen.Was darunter allgemein zu verstehen ist, habe ich in diesem Video zusammengefasst:

Die Gästekarte kann nach meinem Verständnis durch die Erweiterung seiner digitalen Komponenten als strategische Schnittstelle zum Gast eingesetzt werden und dient dann als Hub für unterschiedlichste digital-analoge Services innerhalb der Destination. In einer Session am Sonntag konnten wir hierzu sehr gute Ergebnisse erarbeiten:

  1. Gästekarten können auf drei räumlichen Ebenen differenziert werden: Stadt, Region und geschlossener Raum (bspw. Freizeitpark).
  2. Für den Gast ergeben sich zwei unterschiedliche Möglichkeiten des Zugangs. Entweder über eine direkte Aushändigung, sodass die Karte an den Aufenthalt in einem bestimmten Hotel gekoppelt ist, oder eine Bezahlvariante, bei welcher der Gast die Karte erst käuflich erwerben muss – was dann gut funktionieren kann, wenn es eine zentrale Vertriebsinstanz wie bspw. den ÖPNV gibt.
  3. Beim Leistungsumfang kann zwischen zentralen Must-Have Services und weiteren Nice-to-Haves differenziert werden. Im Zentrum steht fast immer der ÖPNV, der als Kernleistung dient (Core-Service). Daneben können weitere Dienstleistungen angeschlossen werden. Zentrale Elemente sind dabei zum einen Payment-Komponenten und zum anderen Zugänge (Access). Sei es rabattierte Zugänge zu Schwimmbädern, oder der Ersatz des Zimmerschlüssels im Hotel.
  4. Schließlich stellt sich die Frage, über welches Ausgabemedium der Gast die Karte erhält. Hier können klassische physische Karten eingesetzt werden, die dann aber mit einem digitalen Element wie einer App, einer Web-App, einer PWA usw. kombiniert werden sollten, damit hierüber digitale Services integriert werden können.

Strategisch sollte dabei stets in einem niederschwelligen Zugang gedacht werden. Wichtig ist, dass die Karte von möglichst vielen Gästen genutzt wird, damit eine entsprechende Verbreitung zu indirekten Netzwerkeffekten führt: Je mehr Gäste die Karte nutzen, desto attraktiver ist es für die Serviceanbieter und umgekehrt ist es für Gäste attraktiver, wenn mehr Attraktionen/Leistungen über die Karte zugänglich sind. Dieser Effekt ist für die Destination elementar, denn je mehr Relevanz die Karte vor Ort sowohl für Gäste als auch für die angeschlossenen Stakeholder hat, desto besser kann sie von der Destination selbst als Steuerungselement eingesetzt werden. Es wird deutlich: Der Begriff „Gästekarte“ dient hier nur als Übersetzung für ein eigentlich viel weitreichenderes Konzept!

Die DMO erschließt sich über die Karte (die auch aus einer rein digitalen Komponente bestehen kann) eine wichtige Steuerungsmöglichkeit der Region: Über Nudges (kleine Stupser hin zu einem erwünschten Verhalten) kann eine Beeinflussung der Gäste erfolgen, um bspw. Crowding an stark frequentierten POIs entgegen zu wirken. Zudem können eigene Services der Destination integriert werden, die ihrerseits zu einem angepassten Verhalten der Gäste führen können. Digitale Coins können bspw. ausgeschüttet werden, wenn kostenfreie Leihfahrräder entsprechend genutzt werden usw. So können neue Mobilitätskonzepte etabliert und Verkehrsbelastungen reduziert werden.

Schließlich können komplementäre Datenquellen in die Gästekarte integriert werden, um sie zum zentralen Daten-Hub in der Destination zu machen. Sie stellen so ein Anwendungs-Gegenstück zu einer offenen Dateninfrastruktur dar, die er ermöglicht, dass Wetterdaten, POIs usw. zentral in der Gästekarte gebündelt dem Gast ausgespielt werden.

Disclaimer: Beitragsbild unter CC-by-Lizenz Tourismuscamp / The Visual Travelguide

Spoiler: Der gesamte Video-Kurs „Customer Experience Management“ kann hier kostenfrei belegt und mit einem Zertifikat abgeschlossen werden: www.oncampus.de/Customer_Experience_Management

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